Ich höre in Gesprächen mit Autor*innen immer wieder von Vorbehalten gegenüber dem Lektorat. Manchmal liegt es an der Unwägbarkeit, ob sich das Lektorat für diesen Preis wirklich lohnt, manchmal an vorangegangenen schlechten Erfahrungen. Und es stimmt: Da Lektorate keiner Norm unterliegen, sondern Professionalität und eines geschulten Auges bedürfen, um einen echten Mehrwert zu schaffen, gibt es hier natürlich große Unterschiede zwischen den Anbieter*innen. Das betrifft auf der einen Seite natürlich den Preis, auf der anderen Seite auch die Erfahrung und die Arbeitsweise.
Ich möchte dir in diesem Artikel Tipps mitgeben, wie du zu einem tollen Lektoratsergebnis kommst. Denn mir als Lektorin ist natürlich klar, wie groß die Unterschiede zwischen lektorierten und nicht lektorierten Texten sein können und wie viele Aha-Erlebnisse Autor*innen auch aus einer Zusammenarbeit mit einer*m Lektor*in ziehen können. Das wünsche ich mir auch für dich und deinen Text!
Meine Tipps sind in zwei Kategorien unterteilt:
- Was du selbst tun kannst: Die perfekte Vorbereitung des Lektorats
- Wie du eine professionelle Lektor*in findest
Lass uns loslegen!
Was du selbst tun kannst: Die perfekte Vorbereitung des Lektorats
Es gibt eine Faustregel unter Lektor*innen. Sie lautet: Einen guten Text kann man durchs Lektorat auf ein sehr gutes Niveau bringen, einen mittelmäßigen eher nicht.
Der Grund dafür liegt auf der Hand: Als Lektor*innen arbeiten wir mit dem Material, das uns zur Verfügung gestellt wird. Wir sind keine Ghostwriter*innen, das heißt, unsere Aufgabe ist es nicht, den Text umzuschreiben und auf diese Weise zu perfektionieren (das wollen die meisten Autor*innen aus gutem Grund ja auch gar nicht). Was wir also unter anderem tun, ist, auf Schwachstellen oder Potenziale hinzuweisen und Anregungen zu geben, wie du als Autor*in selbst noch mal Hand anlegen könntest.
Und hier gibt es klare Grenzen: Viele Autor*innen sträuben sich, einen Text, den sie schon im Lektoratsstadium verbucht haben, noch einmal grundlegend umzukrempeln. Und das kann ich verstehen. Es ist schon so viel Energie reingeflossen und man möchte das Projekt jetzt einfach zu Ende bringen.
Umso wichtiger ist es also für ein tolles Lektoratsergebnis, den Text entsprechend vorzubereiten. Lektor*innen sind nicht dafür da, um deinen Job zu machen. Das Lektorat ist eigentlich der vorletzte Schritt vor dem Korrektorat, wenn es in Richtung Veröffentlichung geht. Rohfassungen zu lektorieren, wird also in den allermeisten Fällen zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis führen – weder für dich noch für die lektorierende Person.
Übrigens heißt das nicht, dass es nicht auch bei einem gut überarbeiteten Manuskript im Lektorat noch mal zu größeren Änderungen kommen kann. Stelle dich also am besten darauf ein, dass das Lektorat mindestens eine, manchmal auch zwei oder mehr weitere Überarbeitungsrunden für dich bedeutet.
Aber nach dieser langen Vorrede kommt hier nun mein Vorschlag, wie du Schritt für Schritt vorgehen kannst:
-
Schreibe deine Rohfassung. Finde hier deine Story bzw. dein Thema und erarbeite Schritt für Schritt die erste Version deines Buches. Hierfür kann es helfen, dir eine Schreibroutine aufzubauen und deinen Schreibmodus zu finden. Beides kann von Autor*in zu Autor*in ganz unterschiedlich aussehen. Wenn du
dir in dieser Phase Unterstützung wünschst, ist eine Schreibbegleitung oder eine Schreibsprechstunde eine gute Anlaufstelle.
-
Lasse deinen Text ruhen. Wie lange, ist eine individuelle Sache, im besten Fall sind es mindestens ein paar Wochen. Diese Zeit ermöglicht es dir, einen gewissen Abstand
zu deinem Buch zu bekommen. Wenn du das nächste Mal reinschaust, werden dir dann vielleicht Dinge auffallen, die du nicht bemerkt hättest, wenn du noch mit der rosaroten Schreibfluss-Brille
draufgeschaut hättest.
-
Nun schließt sich eine (meist längere) Überarbeitungsphase an. Ob du deinen Text chronologisch oder nach Lust und Laune überarbeitest, ist ganz dir überlassen. Lege den Fokus
auf alle Stellen, die sich nicht „rund“ anfühlen, an denen dir etwas fehlt oder zu viel vorkommt und streiche oder verändere großzügig.
Wenn du einen Roman schreibst, frage dich außerdem, ob alle Figuren einen klar erkennbaren Charakter haben und eine Entwicklung durchmachen, ob aufgeworfene Fragen und die Prämisse geklärt werden, und an welchen Stellen du handwerklich, also bei der Erzählperspektive, Dialogen, Settings, Erzähltempo etc., noch nachschärfen kannst. Beim Sachbuch sollte das Augenmerk natürlich auf Vollständigkeit, Korrektheit und Verständlichkeit deiner Informationen liegen. Beachte auch den roten Faden und die Zielgruppenorientierung.
Es kann sinnvoll sein, verschiedene Überarbeitungsrunden für die einzelnen Aspekte deiner Geschichte einzuplanen. Ich empfehle dir, mindestens zwei komplette Überarbeitungsdurchgänge zu machen, gerne wieder mit einigen Wochen Pause dazwischen.
-
Hole Testleser*innen ins Boot. Wenn es dir nicht vollkommen unmöglich erscheint, aus welchen Gründen auch immer, solltest du diesen Schritt nicht überspringen.
Testleser*innen sind vermutlich die ersten Personen, die deinen Text in seiner fertig überarbeiteten Fassung zu lesen bekommen. Ihr Feedback kann dir wertvolle Einblicke in die Sichtweise
deiner Zielgruppe liefern. Achte daher darauf, als Testpersonen Menschen auszuwählen, die zu deiner vorab definierten Zielgruppe passen. Meistens ist es sinnvoll, wenn du das
Buch nicht nur unter deinen Freund*innen, Bekannten und Familienmitgliedern verteilst, sondern wirklich fremde Personen anfragst, die sich als Testlesende zur Verfügung stellen. Sie haben
einen neutralen Blick auf dich und deinen Text und keine bestimmten Erwartungen bzw. weniger Angst, deine Gefühle zu verletzen. Überlege dir vorab spezifische Fragen für deine
Testleser*innen und bitte um konkretes Feedback zu diesen Aspekten.
-
Werte das Feedback aus und überarbeite deinen Text erneut. Es geht nicht darum, alles umzuschreiben, was deine Testlesenden angemerkt haben, aber sicher sind da gute Hinweise
dabei, die deinen Text noch einmal schärfen.
- Finalisiere deinen Text. Nach dieser (mindestens) dritten Überarbeitungsrunde könnte sich langsam das Gefühl einstellen, dass dein Text nun wirklich „fertig“ ist. Wie genau sich dieses Gefühl zeigt (und ob überhaupt), ist sehr verschieden. Ich finde diese Beschreibung ganz hilfreich: Es fühlt sich an, als würde jede weitere Änderung den Text nicht mehr verbessern, sondern nur noch ändern. Du hast das Gefühl, die bestmögliche Version des Textes produziert zu haben. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, nach einer Lektor*in Ausschau zu halten.
Wie du eine professionelle Lektor*in findest
Wenn du alle Schritte bis hierhin durchlaufen hast, ist es sehr wahrscheinlich, dass du eine tolle Textgrundlage für das Lektorat geschaffen hast. Von deiner Seite aus sind die Voraussetzungen also schon einmal erfüllt. Jetzt geht es darum, wie du eine Person findest, die deinem Text gerecht wird und ihm im Lektorat den letzten Schliff verleiht.
Diese vier Schritte bieten dir hierbei Orientierung:
-
Stecke den Rahmen für eine Zusammenarbeit ab. Überlege dir, welche Erwartungen du an ein Lektorat stellst, was dir besonders wichtig ist, welche
Erfahrungswerte oder Qualifikationen die entsprechende Person mitbringen sollte, welcher Preisrahmen für dich infrage kommt und (falls du es
nicht vor dem Schreiben bereits gemacht hast) was dein persönliches Ziel für den Text ist (Selfpublishing, Verlags- bzw. Agenturbewerbung oder etwas anderes?). Achte
dabei darauf, dass sich deine Wünsche und Vorstellungen in einem realistischen Rahmen bewegen. Ein super billiges Lektorat mit einer gewissen Qualität von einer erfahrenen Lektor*in
wird eher nicht drin sein. Recherchiere hierfür gerne oder frage bei anderen Autor*innen nach Erfahrungswerten, wenn du dir unsicher bist.
Extratipp: Lege nicht allzu viel Wert auf die Qualifikationen auf dem Papier. Es gibt auch tolle Quereinsteiger*innen, die nicht aus dem sprachlichen Bereich kommen. Ausschlaggebend sollte das Probelektorat (siehe Schritt 3) sein. Hier siehst du, wie die Person wirklich arbeitet.
-
Recherchiere Anbieter*innen, wenn du es im vorigen Schritt nicht schon getan hast. Eine gute Anlaufstelle ist zum Beispiel die Website www.lektor-in-finden.de. Dort sind Lektor*innen des VfLL (Verband der freien Lektorinnen und Lektoren)
aufgelistet, du kannst also mit einer gewissen Professionalität rechnen. Achte bei der Recherche auf all deine vorherigen Kriterien (soweit möglich) und vernachlässige auch dein Bauchgefühl
bzw. dein Gespür für Sympathie nicht. Stelle dir dann eine Liste mit deinen Favorit*innen zusammen – das ist deine engere Auswahl.
-
Nun geht es daran, deine Favorit*innen zu kontaktieren. Wenn noch Fragen offen sind, stelle sie per Mail oder vereinbare ein Vorgespräch per Telefon oder Videocall. Frage
dabei auch unbedingt nach freien Kapazitäten bzw. dem voraussichtlichen Zeitraum der Zusammenarbeit und denke daran, deine Erwartungen bzw. Wünsche an das Lektorat zu formulieren. Wenn alles
bis hierhin passt, bitte um ein Probelektorat. Dieser Teil ist wirklich wichtig und ich persönlich kenne keine Kolleg*innen, die kein Probelektorat anbieten. Es hat für beide
Seiten Vorteile: Du bekommst einen Einblick in die Arbeitsweise und die Anbieter*in kann sich einen ersten Eindruck von deinem Text verschaffen. Lasse dich nicht abschrecken, falls das
Probelektorat ein paar Euro kostet. Manchmal lässt sich dieser Betrag bei der Erteilung des Gesamtauftrages verrechnen. Und auch wenn nicht: Du erhältst schon ein vollwertiges Lektorat für
einige Seiten deines Textes, warum soll diese Arbeit (in der Regel ca. 1 Stunde) nicht entlohnt werden? Beachte dabei, dass du möglichst jeder Person denselben Textausschnitt schickst. So
kannst du die einzelnen Ergebnisse besser miteinander vergleichen.
Übrigens: Falls du auf die „geniale“ Idee kommst, extra Fehler in deinen Text einzubauen, um die Lektor*innen zu „testen“, schneidest du dir damit oft nur ins eigene Fleisch. Denn das kann dazu führen, dass dein Text abgelehnt wird, weil zu viele Fehler enthalten sind, oder dass der Preis erhöht wird, um die große Fehlerdichte finanziell abzufedern.
-
Entscheide dich für die Lektor*in, bei der das Gesamtpaket am besten gepasst hat.
😊 Voilà – einem tollen Lektoratserlebnis steht nun nichts mehr im Wege! Natürlich kann es trotzdem passieren, dass
du am Ende nicht hundertprozentig zufrieden bist. Mit dieser guten Vorbereitung wird die Wahrscheinlichkeit dafür jedoch minimal sein. Und falls doch: Offene Kommunikation ist oft
sehr hilfreich. Viele Lektor*innen kommen dir gerne entgegen und arbeiten an einzelnen Stellen nach oder erklären dir ihre Änderungen, wenn es hier zu Unklarheiten gekommen
ist.
Extratipp: Auch wenn ein niedriger Preis nicht immer mit einer mangelhaften Qualität des Lektorats zusammenhängt, ist er doch ein Risikofaktor. Du solltest es also möglichst vermeiden, nach dem günstigsten Angebot zu suchen. In diesem Artikel habe ich Tipps zusammengestellt, wie du dir ein Lektorat auch mit weniger Geld leisten kannst.
Zusammenfassung
So, das waren meine 10 Tipps, wie du Enttäuschungen im Lektorat vermeiden und eine gute Lektor*in finden kannst. Ich hoffe, du kannst einiges daraus mitnehmen! Und falls du wissen möchtest, wie ein Lektorat bei mir abläuft, schau doch gerne mal auf meiner Angebotsseite vorbei.
Hier sind noch mal alle 10 Tipps im Überblick:
- Schreibe deine Rohfassung.
- Lasse deinen Text ruhen.
- Überarbeite deinen Text selbst (mehrfach).
- Hole Testleser*innen ins Boot.
- Werte das Feedback aus und arbeite es ein.
- Bringe deinen Text in die bestmögliche Version.
- Überlege dir, welche Rahmenbedingungen dir für ein Lektorat wichtig sind.
- Recherchiere geeignete Anbieter*innen.
- Kontaktiere deine Favorit*innen und beauftrage ein Probelektorat.
- Entscheide dich und erteile den Lektoratsauftrag.
Welchen Tipp wirst du in Zukunft anwenden? Schreib es gerne in die Kommentare!
Wer schreibt hier?
Hey, ich bin Melina!
Ich bin freie Lektorin und Schreibbegleiterin und helfe angehenden Autor*innen dabei, inspirierende Bücher zu schreiben, die ihre Leser*innen berühren.
Auf meinem Blog findest du Tipps und Wissenswertes rund ums Schreiben und Veröffentlichen. Schön, dass du da bist!
Vielleicht interessieren dich auch diese Artikel:
Schreibbegleitung vs. Lektorat:
Was lohnt sich wann?
Schreibblockade – was tun?
10 Gründe und Tipps, damit deine Kreativität zurückkommt
FAQ:
Antworten auf die 11 wichtigsten Fragen rund ums Lektorat
Kommentar schreiben